SEESICHT: Ariella Käslin, Sie bezeichnen sich als Bewegungsmensch. Ist man oder wird man das?
Ariella Käslin: Eine gute Frage, ich kann es nur auf mich bezogen beantworten. Bewegung war bereits in meiner Kindheit sehr wichtig und ich denke, das hat schon abgefärbt. Später aber wurde es zum Druck, und ich lernte auch diese Seite kennen.

Können Sie denn Menschen verstehen, die keine Bewegungsmenschen sind? Die nicht motiviert sind, Sport zu treiben?
Absolut. Als ich burnoutbedingt in Depressionen fiel, war es für mich unglaublich schwierig, mich selbst zu motivieren. Jede Bewegung war ein Kampf. Ich musste mit Hilfe von aussen lernen, einen gesunden Umgang mit Sport und dadurch die richtige Balance zu finden.

Heisst das, dass jeder und jede für sich einen persönlichen Zugang zu den Themen Sport und Bewegung finden muss?
Davon bin ich überzeugt. Es gibt kein Patentrezept, welches für alle gilt.

Aber wie kann sich nun jemand motivieren, der oder die sich jahrelang nicht oder kaum bewegt hat?
Am besten, in dem er oder sie Bewegung im Alltag integriert und sich zum Beispiel mit einem Freund oder einer Freundin verabredet, um eine Stunde spazieren zu gehen oder sich sonst zu bewegen. Nebst dem, dass man sich so verpflichtet, etwas zu tun, pflegt man damit auch soziale Kontakte, was enorm wichtig ist.

Es gibt aber auch jene, die alleine trainieren wollen und keine Mannschaftssportler sind.
Wenn jemand trainieren will, dann ist es eh kein Problem. Wir haben von Menschen gesprochen, die sich nicht motivieren können. Aber es ist schon richtig, dass man auch herausfinden muss, welcher Sport-Typ man ist, und was einem gut tut.

Können Sie das konkretisieren?
Es gibt Sportlerinnen und Sportler, die lieben das Kompetitive, also den Wettkampf, das sich messen mit anderen und es gibt jene, denen genau dieser Druck eher schadet. Wichtig ist, dass man Spass am Ganzen hat und sich dabei gut fühlt.

Das heisst, Sie haben immer Spass, sind immer topmotiviert?
(lacht) Wo denken Sie hin. Nein, natürlich muss auch ich mich motivieren, und manchmal fällt auch mir das schwer. Bei mir ist es aber so, dass ich Bewegung für meine innere Gesundheit brauche, für mein seelisches Wohlbefinden. So funktioniere ich. Aber das heisst nicht, dass dies für alle gilt.

Nun möchte man, oder vor allem frau, wegen der berühmten Bikini-Figur fit in den Sommer gehen, was immer diese Bezeichnung auch meint. Fit zu sein hat aber wohl mehr als nur mit dem Erscheinungsbild zu tun oder täuschen wir uns da?
Nein, Sie täuschen sich nicht. Wenn es nur um den Körper geht, dann ist das halt nur eine extrinsische Motivation, also eine, die von aussen kommt. Ich sehe das Resultat, welches mich glücklich macht – aber, wenn sich das Resultat verändert, fängt alles wieder von vorne an. Besser ist es von innen, also intrinsisch motiviert zu sein. Das ist nachhaltiger.

Und wohl gesünder.
Als Physiotherapeutin sehe ich jeden Tag die Folgen von zu wenig Bewegung. Der gesundheitliche Aspekt ist also sehr wichtig, manchmal aber schwierig zu vermitteln. Darum braucht es machbare und erreichbare Ziele, vielleicht sogar mit kleinen Zwischenzielen.

Zum Beispiel?
Jeden Tag eine gewisse Zeit gehen, keinen Lift benutzen, zu Fuss einkaufen gehen, zudem nicht in den Laden in der Nähe und so weiter. Bewegung in den Alltag integrieren, in die täglichen Abläufe, das meine ich damit. Mit kleinen Zielen, die ich erreichen kann, die mir ein Erfolgserlebnis vermitteln und mich so motivieren, mir weitere Ziele – vielleicht sogar grössere – zu setzen.

Also nicht gleich einen Marathon?
(lacht) Muss nicht sein. Obwohl Grenzerfahrung auch das Müssigsein versüssen.

Bitte was?
Wenn ich bei einem Triathlon auf der Laufstrecke bin, frage ich mich oft, wieso um alles in der Welt ich mir das antue. Aber immerhin kann ich dann die Zeit auf dem Sofa geniessen, weil ich dies schätzen kann, weil ich weiss, wie sich das andere anfühlt. Wenn ich die ganze Zeit nur auf dem Sofa sitze, ist das normal, auch langweilig und mit Sicherheit irgendwann einmal kein Genuss mehr.

In dieser Home-Office-Zeit war es sicherlich zusätzlich schwierig, sich zu motivieren. Es fehlte der soziale Kontakt. Würde da ein Trainingsplan helfen?
Für einige schon, aber sicher nicht für alle. Wir sind wieder beim Individuellen. Es gibt keine Lösung für alle. Und gerade, was Pläne angeht, ist es zum Beispiel sehr praktisch, in einem Verein mitzumachen, wo ich nichts anderes zu tun habe, als hinzugehen und mitzumachen. Zudem verpflichte ich mich, regelmässig Sport zu treiben und pflege soziale Kontakte, was ja nun endlich wieder möglich ist.

Helfen auch Gadgets wie Apps, Fitnessarmbänder, digitale Uhren?
Das kann tatsächlich eine grosse Hilfe sein. Ich persönlich kann mir die absolvierten Kilometer und verbrannten Kalorien in Ruhe anschauen und mir so einen Überblick verschaffen.

Und Ziele setzen?
Ich kann mir gut vorstellen, dass Ziele, zum Beispiel täglich 10'000 Schritte zu gehen, für einige hilfreich sein können. Für mich persönlich ist das aber nicht gut, weil ich mich dann sofort wieder zu sehr unter Druck setze und zu viel möchte. Mein Thema ist ja, ein gesundes Mass zu finden. Aber ich kann zum Beispiel meine Trainings und meine Routen auch mit anderen teilen und schauen, was sie gemacht haben. Das finde ich spannend.

Sie tragen ein solches Fitnessarmband.
Ja, von der Firma Oppo, wie auch das Handy und die Kopfhörer.

Ist das nicht mühsam, das Handy sogar beim Sport mitzunehmen?
Ich mag es, beim Sport Musik zu hören, für mich ist es also eine ideale Lösung. Und beim Biken kann ich Karten aufs Handy laden oder Kilometer aufzeichnen. Handy, Kopfhörer und Fitnessband sind für mich also eine wirklich praktische und gute Unterstützung.

Und für Anfänger?
Es ist gut zu sehen, wie viele Schritte man gemacht oder wie lange man trainiert hat. So können die persönlichen Ziele überprüft werden. Man kann seine Ziele auch mit Freundinnen und Freunden teilen, was eine zusätzliche Hilfe und Motivation sein kann. Wichtig ist doch vor allem: Was auch immer mich dazu bringt, mich genügend zu bewegen, hilft mir, etwas für meine Gesundheit zu tun – und ich meine damit nicht nur die körperliche Gesundheit.

Fassen wir also das Käslin-fit-in-den-Sommer-Rezept zusammen.
Mein Rezept lautet, dass es kein allgemeingültiges Rezept gibt, ausser in dem Sinne, dass man sich kleine, machbare Ziele setzt, Fitness nicht nur als eine Frage des Aussehens, sondern des Wohlbefindens betrachtet und sich bei all dem, was man tut, wohlfühlen sollte. Kann ich dabei gleichzeitig soziale Kontakte pflegen, ist das ein hilfreicher Ansatz, eine zusätzliche Motivation. Bewegung ist wichtig. Ohne Bewegung schade ich meinem Körper, was auch meinem Geist nicht gut tut. Sind meine Ziele aber zu hoch, möchte ich zu viel und nur, um ein kurzfristiges Ziel zu erreichen, dann sind Frustrationen vorprogrammiert. Also kleine Schritte, dafür regelmässig.

Also keine Bikini- oder Sixpack-Figur?
Ach, davon sind wir nun doch definitiv langsam abgekommen oder nicht? Es geht doch vor allem um eins, nämlich sich in einem gesunden Körper wohlzufühlen. Und, um das zu erreichen, braucht es Bewegung. Ich würde also vorschlagen, wir ändern den Titel.

In was?
Gesund in den Sommer.

(Interview und Photos: Claudio Brentini; Produktebilder: zvg OPPO)