Dank des neuen Programms «Solitaire» können sich solvente Bugatti-Fans jetzt ihr eigenes Unikat bauen lassen. Erstes Ergebnis: der Brouillard. Konfiguriert wird stilvoll im neuen Berliner Designzentrum.
Text: Roland Löwisch | Fotos: zvg
Die 1990er-Jahre waren – zumindest in Berlin – der Himmel für Techno-Nerds. Allein hier hämmerten drei berühmte Musiktempel ihre Beats in die Köpfe der Gäste. Einer davon war von 1994 bis 1997 das E-Werk in der Mauerstrasse. Hier im 1886 gebauten und nie zerstörten zweiten Berliner Kraftwerk legte DJ-Legende Sven Väth auf, hier standen The Progidy auf der Bühne – hier kann man kreativ arbeiten, dachten sich Bugatti-Chefdesigner Frank Heyl und sein Team. Und wählten die Eventhalle als neues Designzentrum für rund 50 Designer aus 25 Nationen, die sich besonders um das Exterieur sowie Color & Trim kümmern.
Und um die ganz besonderen Autos. Denn Bugatti hat ein neues Programm aufgelegt, das weit über das bisherige Personalisierungsangebot namens «Sur Mesure» hinausgeht: Im «Solitaire»-Projekt kann sich der Kunde wünschen, was er will – inklusive einer besonderen Karosserie. Zwei Hauptparameter definieren die Grenzen des Machbaren: Die Umsetzung muss technisch möglich sein und das Ergebnis muss zur Marke Bugatti passen. Pro Jahr sind aus Zeitgründen lediglich zwei Unikate möglich.
Das erste Projekt ist jetzt zwar noch nicht fertig, aber vorzeigbar: der Bugatti Brouillard. Zur Namensgebung muss man wissen: Ettore Bugatti war nicht nur ein begnadeter Autobauer, sondern auch ein überzeugter Pferdenarr. Sein Lieblingspferd – mit dem er auch gerne mal in sein Werk in Molsheim ritt, weswegen er das Haupttor hoch genug gestaltet hatte – war ein irisches Jagdross namens «Brouillard» (französisch für «Nebel»). Und der Auftraggeber, ein Bugatti-Connaisseur mit mehreren Dutzend alten und neuen Bugatti in der Garage, Original-Möbeln von Ettore-Vater Carlo, einem Innenarchitekten, sowie Tierbronzen vom künstlerisch hochbegabten Ettore-Bruder Rembrandt im Haus, wollte nichts anderes als einen Brouillard auf Rädern. Natürlich ein Einzelstück auf W16-Basis, also dem fünf Millionen Euro teuren Bugatti Mistral Roadster.
So hat sich Bugatti seiner Historie besonnen, als Ettore Bugatti begann, nicht nur Fahrgestelle zu verkaufen, sondern Autos komplett mit Karosserie anzubieten, was zu Ikonen auf Basis Typ 57 wie Atlantik und Atalante, ferner Galibier, Stelvio und Ventoux führte. Folgerichtig ist Bugatti Brouillard kein Cabriolet mehr, sondern das einzige Coupé auf Mistral-Basis. Zwei Lufthutzen zieren das verglaste Dach und statt des aktiven Mistral-Heckflügels sorgt ein kleiner Entenbürzel-Spoiler für aerodynamische Balance und für eine besonders elegante Silhouette des Fahrzeugs. Das untere Drittel des Fahrzeugs wurde absichtlich dunkel gehalten, es soll sich optisch mit dem Schatten des Fahrzeugs verbinden, wodurch das Gesamtkunstwerk leichter und dynamischer erscheint. Zudem wurden ein paar Pferdemuskeln und Rundungen herausgearbeitet, schliesslich ist ein Pferd Poesie in Bewegung und der Bugatti soll auch so gesehen werden. Nur an der Leistung wird nicht geschraubt – 1600 Pferdestärken sind dem Käufer genug.
Auch innen gerät der Brouillard wie kein anderer. Auf des Auftraggebers Idee ummantelt Bugatti das Lenkrad an den Griffflächen erstmals mit Tartan, also Textilien aus Wolle mit Karomuster. Laut Heyl ist das Material ausgiebig auf seine Langlebigkeit getestet worden. Ausserdem ist es gut möglich, dass der Käufer unterwegs Handschuhe trägt – Bugatti-Fahrer wissen, wie sie ihr teures automobiles Juwel schützen. Damit aber nicht genug: Pferdeköpfe und -körper verzieren als Stickereien Sitze und Türinnenverkleidungen, teilweise mit Textilien aus echtem Pferdehaar. Selbst die Klimaverstellregler im Brouillard sind Unikate: Sie weisen keine normale Rändelung wie beim Mistral auf, sondern sind mit gelaserten Rembrandt-Bugatti-Initialen verziert. Das Highlight kauert allerdings unter Glas im Getriebeschaltknauf: Dort steckt ein von einer Rembrandt-Bugatti-Skulptur gescannter Pferdekopf von Brouillard, aus Aluminium geformt aus dem 3D-Drucker. Er ist leicht zum Fahrersitz geneigt, als würde er den Piloten ständig beobachten.
Das Gesamtkunstwerk soll 2027 – gekleidet in Vert Laurel, eine Art Lindgrün mit grün eingefärbtem Sichtcarbon – ausgeliefert werden. Dem Kunden wird vertraglich garantiert, dass sein wahrgewordener Entwurf auf ewig ein Einzelstück bleibt. Natürlich sagt Bugatti nichts über die Gesamtkosten des Projekts, aber für jeden, der mit dem Gedanken an sein persönliches Exemplar spielt: mit dem Gegenwert von mehreren Mistral muss man schon rechnen.
Dafür gehört einem dann aber auch ein ganz besonderer und sogar fahrbarer Techniktempel …