Ferrari Hypersail

Segeln auf Italienisch

Die Geschichte vom Pferd wird jetzt auch über Wasser weitergeschrieben – Ferrari steigt mit dem Projekt Hypersail in die Welt der Rennyachten ein. Teamchef ist eine italienische Legende: Giovanni Soldini.

Text: Roland Löwisch   |   Fotos: Alessandro Cosmelli

Grosse Worte gehören zu Ferrari wie das springende Pferd. Wie zum Beispiel: «Endlich wird eine einzigartige sportliche Herausforderung in der Welt des Segelsports, die Rennsporttradition und technologische Innovation vereint.» Der Hintergrund: Erstmals wagt sich Ferrari aufs Wasser, und zwar mit dem Projekt «Hypersail». Der Name ist entlehnt aus der Racing-Welt von Ferrari mit seinen Hypercars (Ferrari 499P) die seit drei Jahren höchst erfolgreich die Endurance-Rennen unter anderem in Le Mans aufmischen.

Die Basis soll eine bislang einzigartige Segelyacht bieten, die gerade in Italien gebaut wird, entworfen vom französischen Designer Guillaume Verdier. Die besondere Technik basiert auf drei Tragflächen: Ein Foil (gewölbter Tragflügel) wird vom Schwenkkiel getragen, zwei weitere befinden sich mit ihren einstellbaren Flaps jeweils an den Seiten. Sie können bei Bedarf aus dem Wasser gefahren werden. So soll das Boot übers Wasser «fliegen» – das gut 30 Meter lange Einrumpfboot soll ausschliesslich für den Hochsee-Rennsport genutzt werden.

Teamchef ist kein Geringerer als Giovanni Soldini – eine Skipper-Legende in Italien. Der 59-jährige fühlte sich schon als Teenager vom Meer angezogen, mit 17 überquerte er bereits den Atlantik. Mit Beginn seiner professionellen Segelkarriere entwickelte Soldini ein Händchen dafür, anspruchsvolle Langstreckenregatten zu dominieren, darunter die Transatlantikregatta Jacques Vabre (Frankreich – Brasilien), die Tea Clipper Route von San Francisco nach Shanghai, das Original Singlehanded Transatlantic Race und die Transatlantikregatta Québec – Saint-Malo.

Der damalige Fiat-Chrysler-Chef John Elkann erinnerten Soldinis Persönlichkeit und seine Art, sich aktiv einzubringen und voll zu engagieren, an die Maserati-Brüder – und so begann der Fiat-Nachkomme, mit Soldini zu segeln. Obwohl Soldini ursprünglich finanzielle Unterstützung für die Teilnahme am Volvo Ocean Race suchte, führte eine Zusammenarbeit mit Maserati schliesslich zur Entwicklung und zum Bau des Maserati Multi70 Trimarans, dem ersten Foiling-Schiff seiner Art. 2017 segelte Soldini damit bei der «Transpac» mit, ein uraltes Rennen über die grössten, tiefsten und gefährlichsten Gewässer der Welt. Schon damals bestach die ganz spezielle Hardware und die Ingenieurskunst auf Formel-1-Niveau in Bezug auf Hydrodynamik und Gewichtsreduzierung. Das dank sehr wenig Wasserwiderstand fast fliegende Schiff war knapp 80 km/h schnell. Jetzt ist Maserati Geschichte und Ferrari schwimmt oben. Kein Wunder: Elkann ist heute Ferrari-Präsident.

Soldini, inzwischen Teamchef von Hypersail, freut sich auf seine Aufgabe: «Das Zusammentreffen verschiedener Kulturen und fortschrittlicher Technologien ermöglicht den Bau eines Boots, das in vielerlei Hinsicht revolutionär ist. Aus nautischer Sicht ist es innovativ in Bezug auf die Art und Weise, wie es gebaut ist und wie es fliegen wird; was die Systeme betrifft, fördert der Beitrag von Ferrari die Entwicklung einer noch nie dagewesenen Steuerung an Bord. Um uns bestmöglich auf die Variabilität und Stärke der Phänomene und Bedingungen im Ozean vorzubereiten, gilt es, ein Gleichgewicht zwischen der Erforschung extremer Leistungen und maximaler Zuverlässigkeit zu finden.». Das Wunderwerk – insgesamt 40 Meter vom Kiel bis zur Mastspitze hoch, 20 Meter breit und letztlich mit 15 Kilometern Kabelwerk bestückt – soll im Laufe des nächsten Jahres vom Stapel laufen. Die gesamte Energie, die für den Antrieb der Steuer- und Bewegungssysteme der Foils, des Kiels und des Ruders sowie für die Elektronik der Computer und der Instrumente an Bord benötigt wird, muss während der Fahrt selbst erzeugt werden. 
 
Das Boot wird mit einem System zur Flugsteuerung segeln, das auf der Grundlage der bei den Autos gewonnenen Erfahrungen unter anderem in Sachen Aerodynamik entwickelt wurde. Die Suche nach originellen Lösungen für die Nautik hat bereits zur Anmeldung von neun Patenten und zur Ausarbeitung sechs weiterer Patente geführt.
 
Ziel des Aufwands: Technologietransfer aus der Welt der Ferrari-Sportwagen und umgekehrt. Mal sehen, wann wir einen Strassen-Ferrari mit Tragflügeln erleben …

Abmesungen Ferrari Hypersail

Länge: ca. 30 m
Breite: ca. 20 m
Höhe: ca. 40 m