Interview Paul-Lukas Good

Der Weg zur Legalisierung

Paul-Lukas Good leitet das grösste Cannabis-Forschungsprojekt der Schweiz im Kanton Zürich. Wir trafen den sympathischen Anwalt mit dem Flair für Cannabis zum Gespräch über die laufende Studie, die Akzeptanz von Cannabis in der Schweizer Politik und Gesellschaft sowie die Herausforderungen und Chancen einer möglichen Legalisierung.

Text: Matej Mikusik   |   Fotos: zvg / Titelbild: Adobe Stock

Die Regulierung des Marktes. Die Bekämpfung des Schwarzmarkts und der Gesundheitsschutz. Paul-Lukas Good betont gleich zu Beginn des Gesprächs die Wichtigkeit der Forschung für eine evidenzbasierte Gesetzgebung und die Notwendigkeit eines gesundheits­orientierten Ansatzes bei der Cannabis-Regulierung. Generell fühlt es sich mehr so an, als würde man mit einem Start-up-Gründer als mit einem Studienleiter zusammensitzen und das Thema Cannabis-Konsum besprechen. 

Wir merken schnell, wie wichtig der Aufbau einer Lieferkette ist, wie die Zusammenarbeit mit Produzenten und Forschungsinstitutionen funktioniert. Auch die Erfahrungen mit Studienteilnehmenden sind ein Thema. Paul-Lukas Good spricht dabei immer präzise, geschliffen. Fast schon wie gedruckt. Man merkt und hört, dass er jahrelang als Anwalt gearbeitet hat, präzise Sprache gehört da dazu. 

Paul-Lukas Good. Wir fallen gleich mal mit der Türe in die gute Stube: Wie läuft die ­aktuelle Cannabis-Pilotstudie in der Schweiz? 

Der Pilotversuch im Kanton Zürich sowie in anderen Schweizer Städten verläuft gut und reibungslos. Das Ziel der Studie ist, eine ­Evidenzgrundlage für das Parlament und die Politiker zu schaffen, um eine fundierte Entscheidung über die zukünftige Regulierung von Cannabis zu treffen. Die Studie untersucht die Auswirkungen von legalem Cannabis-Konsum auf Bereiche wie den Arbeitsmarkt, die Kriminalität, die Gesundheit. Das Ziel: Entscheidungen für eine gesundheitsorientierte Regulierung zu ermöglichen, die gleichzeitig den Schwarzmarkt eindämmt. 

Wie viele Personen nehmen an der Studie teil und wie ist der aktuelle Stand der Rekrutierung?

Unsere Studie hat eine Kapazität von 7500 Teilnehmern. Aktuell sind rund 4000 Personen in die Studie aufgenommen. Wir sind sehr zufrieden mit dem Fortschritt, wir haben in den ersten zehn Monaten bereits mehr als die Hälfte der Kapazität erreicht. Es galt, Vertrauen aufzubauen und die Existenz unserer Studie zu kommunizieren.

Paul-Lukas Good

Wie ist die politische Unterstützung für die Cannabis-Pilotversuche in der Schweiz?

Die Pilotversuche geniessen mittlerweile eine breite politische Unterstützung. Es gibt keinen nennenswerten Gegenwind aus der Politik. Im Gegenteil, sie zeigt grosses Interesse an den Ergebnissen der Studien, da diese als Grundlage für die zukünftige Gesetzgebung dienen sollen.

Auch in der Politik gibt es Bewegung bei diesem Thema.

Ja. Parallel zu den Pilotversuchen läuft ein ­Gesetzgebungsverfahren zur regulierten ­Abgabe von Cannabis, da gab es grad Ende ­Februar eine Mitteilung dazu. Ein Gesetzesentwurf wurde von der Gesundheitskommission des Nationalrats gutgeheissen. Ein Vernehmlassungsverfahren ist nach den Sommerferien geplant, und das Gesetz könnte dann schon im Frühling nächsten Jahres ins Parlament gelangen. Mit einer Verabschiedung ist voraussichtlich im Jahr 2027 zu rechnen, unter Umständen gefolgt von einem Referendum.

Wann sind erste Forschungsergebnisse zu erwarten?

Frühestens in eineinhalb bis zwei Jahren werden erste Forschungsergebnisse erwartet. Dabei arbeiten wir mit Forschern der ETH und der Universität Zürich zusammen. Die Zusammenarbeit mit der KOF Konjunkturforschungsstelle | ETH Zürich und der Universität Zürich, da vor allem mit dem Departement für Volkswirtschaft, also den Verhaltensökonomen, ermöglicht eine sozial- und volkswirtschaftliche Analyse der Auswirkungen des legalen Cannabis-Konsums, insbesondere in Bezug auf Bildung, Kriminalität, Arbeitsmarkt und Wohlbefinden.

Klare Kriterien für Studienteilnahme

Grundsätzlich kann sich jede Person, die in einer der 34 partizipierenden Zürcher Gemeinden lebt, über die Website des ­Vereins unter https://pilotversuche.ch für die Studie anmelden. Nach einem klar regulierten Onboarding-Prozess werden nur Personen zugelassen, die die gesetzlich vorgegebenen Zulassungsvoraussetzungen erfüllen: Die Proband:innen müssen bereits Konsumenten sein, volljährig, nicht schwanger sein, nicht stillen und keine mit Cannabis kontraindizierenden Vorerkrankungen haben. Paul-Lukas Good sagt: «Die Einfachheit des Zugangs zu qualitativ einwandfreiem Cannabis ist besonders wichtig, da ohne einen einfachen Zugang der Schwarzmarkt, der heute häufig über Bestellung per Chat, Bezahlung per Bitcoin und Lieferung per Post operiert, nicht verdrängt werden kann.»

Das kann also sein, dass die Politik schon vor Ablauf der Studie ein entsprechendes Gesetzt durchwinkt?

Ja, das kann sein. Es kommt dann noch darauf an, ob ein Referendum ergriffen werden ­würde, aber das ist durchaus möglich. Nichtsdestotrotz braucht es die Studien, um die ­Effekte einer solchen kontrollierten Abgabe aufzuzeigen.

Wie würde dann der Preis für legales ­Cannabis in einem regulierten Markt festgelegt? Zu teuer darf es ja nicht werden, da sonst der Schwarzmarkt wieder die Oberhand gewinnt.

Ja, das muss man gut anschauen und austarieren. Aktuell orientieren sich die Preise in den Pilotversuchen am Schwarzmarktpreis von ca. zehn Franken pro Gramm. Für die Zukunft ist eine Lenkungsabgabe geplant, die sich vermutlich am THC-Gehalt und der Konsumform orientieren wird. Das Ziel ist, einen Preis zu finden, der einerseits den Schwarzmarkt eindämmt, andererseits aber nicht zu einem Preiskampf führt. Ich denke, der Staat muss hier marktwirtschaftliche Übertreibungen verhindern, aber trotzdem gewisse Freiheiten ­zulassen, damit unternehmerisch denkende Menschen in den zukünftigen Cannabis-Markt einsteigen und bereit sind, Steuern zu zahlen. Denn der Schwarzmarkt zahlt keine Steuern. Wir streben aber klar ein gesundheitsorientiertes Regulierungsmodell an.

Was unterscheidet das «Swiss Cannabis Center» von anderen Anbietern?

Wir legen im Swiss Cannabis Center Wert auf eine freundliche, sensible Umgebung für ­Cannabis-Konsumenten. Wir bieten geschulte Mitarbeitende, die Auskunft über Qualität, Wirkungen und Risiken der jeweiligen Cannabis-Produkte geben können. Wir versuchen dabei auch den Cannabis-Konsum zu entstigmatisieren und zu normalisieren. Die Verkaufsstellen sind gleichzeitig die Onboarding-Center für potenzielle Studienteilnehmende.

Wie läuft ein solches Onboarding ab?

Zuerst müssen Interessierte ein Online-Formular ausfüllen und gewisse Behörden-Dokumente hinterlegen. Dann kommen sie zu uns in die Center und werden in einem persönlichen Gespräch durch das Onboarding-Verfahren geleitet. Natürlich gibt es da gewisse Kriterien, die man erfüllen muss. So müssen potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten bereits Cannabis-Konsumenten sein.

Thema Datenschutz. Wie wird das bei den Studienteilnehmern gewährleistet? Die Teilnehmer wollen wahrscheinlich eher nicht, dass ihre Daten am falschen Ort landen.

Das ist ein wichtiges Thema. Die Daten der Studienteilnehmenden werden anonymisiert. Nach dem Onboarding werden persönliche Daten wie E-Mail-Adresse und Telefonnummer für die Organisation benötigt, aber alle weiteren Daten werden gelöscht. Die Forscher erhalten keine Personendaten und auch keinen Zugriff darauf. Auch der Staat hat kein Zugriffsrecht auf die Daten, insbesondere werden keine Daten an Strassenverkehrsämter, Strafverfolgungsbehörden oder Versicherungen weitergegeben.

«Der Schwarzmarkt handelt nicht nur illegal,
sondern produziert ­offensichtlich an den Bedürfnissen der Kunden vorbei.»

Lehnt ihr auch mal jemanden ab?

Wenn es sein muss, ja. Auch wenn schon jemand bei der Studie mitmacht, und wir sehen dann später am Auftreten und Verhalten der Person, dass etwas nicht stimmt, dann sprechen wir das an. Oder wir geben Ratschläge, wie man den Cannabis-Konsum verantwortungsvoll ausgestaltet.

Welche Produkte werden im Rahmen der Studie in euren Centern angeboten?

Das Sortiment umfasst Blüten mit unterschiedlichem THC-Gehalt (6–20 %). Bei Haschisch sind es 15–20 Prozent THC-Gehalt, bei den Vapes 10–20 Prozent. Wir haben auch THC-Öle mit fünf und zehn Prozent Gehalt sowie Pralinen und Weingummis mit 10 mg THC pro Stück.

Und was wird am meisten nachgefragt?

Entgegen der Erwartungen beobachten wir in unserer Studie eine grosse Nachfrage bei Cannabis-Produkten mit einem schwachen THC-Gehalt von fünf bis neun Prozent. Zudem sind Produkte mit 20 Prozent THC-Gehalt auch sehr beliebt. Spannend ist dabei, dass der THC-Gehalt im Schwarzmarkt durchschnittlich bei etwa 13–15 Prozent liegt. Das heisst: Der Schwarzmarkt handelt nicht nur illegal, sondern produziert offensichtlich an den Bedürfnissen der Kunden vorbei – und erst noch in minderwertiger Qualität.

Woher stammen die Produkte?

Unser ganzes THC-Angebot stammt von drei Schweizer Produzenten, die nach Biostandard produzieren und im Besitz einer Ausnahmebewilligung im Rahmen der Studie sind. Das Know-how haben sich unsere Produzenten im jahrelangen Anbau für CBD-Produkte angeeignet.

Das muss sein heutzutage?

Ja. Denn, wer Wert auf den Kauf fair hergestellter Produkte legt, regional einkauft und auf Qualität achtet, wird auch beim Konsum eines Genussmittels wie Cannabis nicht darum herumkommen, sich ethische Fragen zu stellen.

Was ist das langfristige Ziel mit den Centern – wie seid ihr da organisiert?

Ich muss ein wenig ausholen. Die Studie läuft im Rahmen eines Vereins: Swiss Cannabis ­Research. Die Center und Partner für die ­Abgabe der Studie laufen über die SCC, also die Swiss Cannabis Center. Das ist eine AG mit verschiedenen Beteiligten.

Sind Sie in der AG auch investiert?

Nein. Ich sehe mich und meine Aufgabe als Studienleiter. Das ist das, was mich interessiert und wo ich meine Rolle auch in Zukunft sehe – als Schnittstelle zwischen Forschung, Lieferkette und Politik. Hoffentlich auch bei Studien im Ausland.

Woher kommt Ihre Affinität für Cannabis?

Natürlich aus meiner Jugendzeit. Und der Studienzeit, in der ich mich intensiv mit der Verbotskultur rund um das Thema ­Cannabis beschäftigt habe. Daher ist es mir auch wichtig, dass man den Cannabis-Konsum aus der schmuddeligen Schwarzmarkt-Ecke rausholt. Umfragen zeigen, dass etwa zehn Prozent der Bevölkerung regelmässig Cannabis konsumiert. Es ist nun mal ein Thema, das in der ­Gesellschaft verankert ist und auch seine legale Berechtigung haben sollte. Cannabis ist in der Mitte der Gesellschaft ­angekommen.

Über den Verein Swiss Cannabis ­Research

Der in Zürich ansässige Verein Swiss Cannabis Research unterstützt die Forschung zum Thema Cannabis und arbeitet langfristig auf die verantwortungsvolle Regulierung des Konsums, Verkaufs und Vertriebs von THC-haltigem Cannabis zu nicht-medizinischen Zwecken hin. In Zusammenarbeit mit der Universität Zürich, der Konjunkturforschungsstelle KOF/ETH und dem Arud Zentrum für Suchtmedizin führt der Verein schweizweit verschiedene Forschungsprojekte durch, mit dem Ziel, während der nächsten fünf Jahre im Kanton Zürich rund 7500 Proband:innen bei einem reglementierten Cannabis-Konsum zu begleiten. Folgeprojekte in weiteren Schweizer Kantonen befinden sich bereits in Planung.